Ortsgeschichte

Sebastian Stief: Hl. Severin

Von der Steinzeit bis ins Römerreich

Kuchl besitzt eine reiche Vor- und Frühgeschichte. Als erstes Siedlungsgebiet ist der Georgenberg, eine steil aufragende, schwer einnehmbare Konglomeraterhöhung, anzusehen. 

Hier wurden Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände seit der Jüngeren Steinzeit (4500 – 1800 v. Chr.) gefunden. Dieser Siedlungsbereich existierte auch noch 15 v. Chr., als der Salzburger Raum in das Römische Reich eingegliedert wurde. Es verwundert nicht, dass Cucullis als Post- bzw. Raststation in der Tabula Peutingeriana, einer römischen Straßenkarte, bereits eingezeichnet ist.

Der Heilige Severin

Zwischen 470 und 475 n. Chr. hielt sich der heilige Severin im Land Salzburg auf, wo sein Besuch in zwei Salzburger Orten in der Vita Sancti Severini, seiner Lebensbeschreibung, festgehalten wurde:

Als noch die oberen Städte Ufer-Noricums bestanden und fast kein einziges Kastell von den Überfällen der Barbaren verschont blieb, stand der heilige Severin in derartig hohem Ansehen, dass ihn die einzelnen Kastelle um die Wette einluden, als könne er ihnen die Mauern ersetzen; denn sie glaubten, es könne ihnen in seiner Gegenwart kein Unglück widerfahren...

... So war der heilige Mann infolge der ergebenen Bitten der Bevölkerung auch in ein Kastell namens Cucullis gekommen, wo ein großes Wunder geschah, das ich nicht verschweigen kann; kennen wir es doch aus dem erstaunlichen Bericht des Marcianus, der später unser Presbyter wurde und ein Einwohner dieses Ortes war. Ein Teil des Volkes hielt an einem bestimmten Orte am heidnischen Opferdienst fest. Als der Mann Gottes von diesem Frevel erfuhr, hielt er zahlreiche Ansprachen an das Volk, bestimmte die Presbyter des Ortes ein dreitägiges Fasten anzusetzen und befahl, dass aus allen Häusern Kerzen mitzubringen seien, die jeder eigenhändig an den Kirchenwänden befestigte. Nachdem der übliche Psalmengesang beendet war, forderte der Mann Gottes die Presbyter und Diakone auf mit ganzer Hingabe mit ihm zusammen den gemeinsamen Herrn zu bitten, er möge zur Entlarvung der Gottlosen das Licht seiner Erkenntnis leuchten lassen. Als er nun so unter vielen Tränen mit ihnen lange auf den Knien gebetet hatte, da wurde plötzlich der größte Teil der Kerzen, welche die Gläubigen herbeigebracht hatten, durch göttliche Fügung entzündet; unangezündet blieb hingegen der Rest der Kerzen, nämlich die jener Leute, die den erwähnten heidnischen Opfern verfallen waren, dies aber in dem Wunsche, unbekannt zu bleiben, geleugnet hatten. Sowie sich also die Leute, welche diese Kerzen aufgestellt hatten, durch das Gottesurteil entlarvt sahen, schrieen sie plötzlich auf und verrieten die Geheimnisse ihres Herzens genugsam durch ihre Rechtfertigungsversuche und gestanden, durch das Zeugnis ihrer eigenen Kerzen zu einem öffentlichen Geständnis gebracht, ihren Götzendienst. O gütige Macht des Schöpfers, der die Kerzen und Herzen entflammt!

... Ein andermal wieder hatte sich im Gebiete desselben Kastells ein Schwarm von Heuschrecken, Vernichtern der Feldfrucht, niedergelassen und verwüstete alles mit den verderblichenb Beißwerkzeugen. In ihrer Bestürzung über dieses Unglück wandten sich alsbald die Presbyter und alle übrigen Ortsbewohner mit dringenden Bitten an den heiligen Severin und sprachen: „Wir bitten zur Befreiung von dieser schrecklichen Plage um die erprobte Hilfe deiner Gebete, deren gewaltigen Einfluss beim Herrn wir unlängst anlässlich des großen Wunders kennen gelernt haben, als die Kerzen durch Himmelsmacht entzündet wurden.“ ... Unverzüglich versammelte sich alles in der Kirche, und ein jeder sang der Reihe nach wie gewöhnlich seinen Psalm. Jegliches Alter und Geschlecht, auch wer es nicht in Worten tun konnte, betete unter Tränen zu Gott, unaufhörlich wurden Almosen gegeben und nach den Vorschriften des Gottesdieners gute Werke vollbracht, wie es die augenblickliche Notlage erforderte. Während sich nun alle derartig betätigten, ließ ein ganz armer Mann das angefangene Gotteswerk im Stich und ging zum Acker hinaus um nach seiner eigenen Saat zu sehen, die ganz klein zwischen den übrigen Saatfeldern lag. Und voll Angst verscheuchte er den ganzen Tag mit größtem Eifer die darüber schwebende Wolke von Heuschrecken, und dann ging er in die Kirche zur Kommunion. Seine bescheidene Saat aber, die von vielen Fruchtfeldern der Nachbarn umgeben war, hat der Heuschreckenschwarm kahl gefressen. (Quelle:  Univ. DDr. Franz Ortner, Das Erzbistum Salzburg in seiner Geschichte, Band 1, Editions du Signe, Straßburg 1994)

Mutterpfarre und Markterhebung

Ein Tauschvertrag aus dem Jahr 997 des Kuchler Dienstmannes Gezo mit dem Erzbischof von Salzburg war die Grundlage für die Errichtung einer Mutterpfarre in Kuchl und schließlich die Einrichtung einer Grafschaft samt Landgericht, das bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ausgeübt wurde. Das Geschlecht der Kuchler führte in seinem Wappen einen springenden Hirschen. Dieses Wappen findet – auch wenn sich das Geschlecht seit 1375 aus dem Land Salzburg zurückzog – noch heute als Gemeindewappen Anwendung. Gegen 1380 erfolgte die Erhebung der Dorfes Kuchl zum Bannmarkt. Seit 1349 besaß der Ort bereits das Recht einen oder mehrere Viehmärkte abzuhalten. Nunmehr kamen weitere Rechte des freien Kaufs und Verkaufs hinzu.

Die Kuchler Bürger

Seit 1586 wird in Kuchl ein Bürgerbuch geführt, das bis 1920 fortgeführt wurde. Dadurch sind z. B. seit diesem Zeitpunkt die in Kuchl bei den Bürgerversammlungen gewählten Bürgermeister bekannt. Seine Aufgabe bestand in der Verwaltung des Marktvermögens und der jährlichen Rechnungslegung vor der Gerichtsobrigkeit. Im 17. Jahrhundert war der Amtsinhaber neben der Verwahrung des Schlüssels zur Bürgerlade, die das Gemeindevermögen enthielt, auch für das Wohl der Gemeinde und der Armen zuständig. Neben der Verpflichtung, für den eigenen gewerblichen Betrieb aufzukommen, musste das Amt somit eher eine Bürde als eine Würde dargestellt haben. Weiters wurde ab 1605 ein Bürgerausschuss, bestehend aus vier Bürgern eingesetzt: Ihre Aufgabe bestand hauptsächlich in der Beratung des Bürgermeisters bei den Amtshandlungen und Beschlüssen. Auch die Aufnahme von neuen Bürgern musste vor der versammelten Bürgerschaft vollzogen werden.

Neue Aufgaben in der Neuzeit

Am 26. März 1850 wurde aus den Steuergemeinden Kuchl, Georgenberg, Jadorf, Kellau und Weißenbach die politische Marktgemeinde Kuchl gebildet. Die finanzielle Verwaltung des Kommunalvermögens, das bis 1848 gebildet werden konnte, wurde weiterhin durch die Bürgerschaft geführt. Allerdings ist der erste Mann der Bürgerschaft seit diesem Zeitpunkt nicht mehr ident mit der Person des Bürgermeisters. (Hier ist anzumerken, dass seit 1850 Salzburg ein eigenes Kronland der Monarchie Österreich-Ungarn wurde: Nach dem Ende der erzbischöflichen Herrschaft 1803 kam Salzburg wechselweise zu Österreich, Bayern, Frankreich und ab 1816 endgültig zu Österreich. Die Verwaltung erfolgte bis 1850 allerdings von Oberösterreich aus. Die Revolution 1848 änderte die Salzburger Lage aber grundlegend: Eine der Folgen davon ist die eigene Verwaltung bzw. Landesregierung ab dem 1.1.1850.) 

Mit Beginn des 20. Jh. mehrten sich die öffentlichen Aufgaben des Marktes Kuchl zusehends. Neben der Wasserver- und Kanalentsorgung, Straßen- und Brückenbauten, diversen öffentlichen Gebäuden (Turnhallen, Badeanstalten, Kindergarten, Seniorenheim etc.) musste auch der schulische Bereich auf- bzw. ausgebaut werden.

Ab 1938 wurden in Kuchl Berufsschulkurse für Sägewerker abgehalten. Dies führte langsam zur Entwicklung des Holztechnikums Kuchl, das zur Zeit neben der Landesberufsschule auch eine HTL/Fachschule für Holzwirtschaft, mehrere Fachhochschul-Studienlehrgänge im Bereich der Holzwirtschaft und eine private Schule für Einrichtungsberater inkludiert. Auch sonst ist der Bereich „Holz“ im Kuchler Wirtschaftsleben stark vertreten: Der hohe Anteil an Sägewerks-, Zimmerei- und Tischlerbetrieben haben dazu geführt, dass Kuchl als „Holzgemeinde“ bekannt wurde. Daneben wurde die Entwicklung anderer Gewerbezweige in Kuchl durch die Errichtung von mehreren Gewerbegebieten begünstigt. Als ältester und einer der bekanntesten Industriebetriebe in Kuchl sei hier stellvertretend das Gipswerk Moldan genannt, deren Anfänge in das 17 Jahrhundert zurückreichen, als der Fürsterzbischof die Abbauberechtigung an diverse Kuchler Bauern erteilte.

Heute stellt Kuchl mit mehr als 7.000 Einwohnern die zweitgrößte Tennengauer Gemeinde dar, die ein reges Wirtschafts-, Agrar-  und Vereinsleben aufweist.