Der Waldrapp - ein Ibisvogel in Kuchl

Waldrapp

ägyptisches WandreliefJeder von uns hat wahrscheinlich schon Darstellungen des altägyptischen ibisköpfigen Gottes Thot mit seinem langen Schnabel gesehen. Er stand für Mond, Magie, Wissenschaft und Weisheit. Weniger bekannt ist vielleicht, dass auch in Europa eine Ibisart seit jeher heimisch ist: der Waldrapp. 

Er war einst ein in Europa häufiger Vogel. Der Salzburger Mönchsberg war ein historisch bekannter Brutstandort für Waldrappe. In Österreich kam er zuletzt noch in der Steiermark in freier Wildbahn vor. Die intensive Bejagung – sein Fleisch galt als Delikatesse – führte dazu, dass er im 17. Jahrhundert bei uns in Europa ausstarb. In Marokko lebten 2019 in freier Wildbahn noch etwas 700 Vögel und etwa 250 halbwild in der Türkei. 

Projekt „Waldrappteam“

Waldrappennest am GeorgenbergIn den letzten Jahren wurde mit Auswilderungsprojekten in Österreich und Deutschland versucht, die Tiere bei uns wieder anzusiedeln. – Kuchl, genauer gesagt der Georgenberg – bot sich dabei aufgrund seiner Felsstrukturen ideal als Brutstation an. 2014 wurden Waldrappe hier erstmals in einer Voliere gebracht und vermehren sich seither kontinuierlich. Zwischenzeitlich kam es zu Uhu-Attacken und einer Umsiedlung nach Burghausen, einem historischen Brutstandort für Waldrappe, der in den letzten Jahren wieder revitalisiert wurde.

Brutnester am Georgenberg2019 beherbergte der Georgenberg die größte europäische Brutkolonie. In 8 Nestern waren 27 Küken geschlüpft und es wurden noch mehr erwartet. 2020 konnte zwar keine Begleitung mit Leichtflugzeugen in den Winterstandort Toskana durchgeführt werden. Trotzdem reisten im März 15 Tiere selbständig aus Italien zurück in den Tennengau.

Das Projekt „Waldrappteam“ wurde und wird zwar mit viel Aufwand und Erfolg betrieben, erlitt aber immer wieder Rückschläge. Das Hauptproblem für die Auswilderung ist die Tatsache, dass der Waldrapp ein Zugvogel ist, die Flugroute aber im ersten Jahr von den Eltern erlernt werden muss. Von Menschen aufgezogene Jungvögel kennen diese Flugroute nicht. Sie fliegen zwar im August von ihren Brutplätzen ab, aber nicht gemeinsam und in verschiedene Richtungen. Daher wurde ihnen – mit steigendem Erfolg – im Rahmen des Europäischen LIFE+EU-Projektes von ihren menschlichen Zieheltern der Weg ins Winterquartier mit Hilfe von Leichtflugzeugen gezeigt, sodass der Waldrapp wieder als echter Zugvogel in Mitteleuropa angesiedelt werden kann.

Die aktuellen Standorte der meisten Waldrappe (aktuell ca. 170 Tiere, Stand: Mai 2021) können mit Hilfe von leichten, mobilen GPS-Geräten, die den Tieren auf den Rücken geschnallt werden, nachverfolgt werden.

Aussehen:

erwachsener VogelErwachsene Tiere erreichen inklusive Schwanzfedern eine Körperlänge von 60 cm (Weibchen) bzw. 75 cm (Männchen) und haben für gewöhnlich eine Lebenserwartung von etwa 15 bis 20 Jahren. Das Gewicht eines ausgewachsenen Waldrapps beträgt bis zu 1,5 kg. Das Gefieder ist schwarz und metallisch glänzend. An Hals und Bauch weist er einen gräulich-silbrigen Schimmer auf. Im Nacken, am Rücken, an den Flügelspitzen und auf den Schwanzdeckfedern glänzen die Federn grünlich, manchmal auch bläulich, an den Flügelschultern hingegen violett bis rötlich. Gesicht und Stirn sind kahl und von fleischroter Farbe, die Nackenfedern sind lanzettförmig und stark verlängert, so dass der Eindruck eines Schopfes oder einer Mähne entsteht. Der „Schopf“ kann bei Gefahr oder während der Balz aufgespreizt werden. Der Schnabel ist rot und leicht sichelförmig nach unten gebogen. Die Beine sind kahl und stämmig.

Verhalten:

Der Waldrapp ist ein geselliger Vogel. Die inzwischen ausgerotteten Wildkolonien umfassten bis zu mehrere tausend Tiere. 

Jungvogel

Zum Verhalten des Waldrapps gehört ein auffälliges Begrüßungsritual, das insbesondere bei der Paarbildung im Brutgebiet zu beobachten ist. Dabei werfen Männchen wie Weibchen den Kopf mit aufgestelltem Schopf in den Nacken und verbeugen sich dann unter auffälligen Chrup-Chrup-Rufen voreinander. Dabei erscheint die individuelle Kopfzeichnung besonders deutlich. Dieses Verneigungsritual wird mehrfach nacheinander wiederholt. Das Grüßen eines Pärchens löst in der gesamten Waldrapp-Kolonie das Grußritual aus und ist nicht nur auf die Balz- und Paarungszeit beschränkt.

Im Waldrappprojekt wird das Begrüßen von den BetreuerInnen durch das Heben und Senken des Zeigefingers und dem Nachahmen des Chrup-Lautes imitiert.

Nahrung:

Die Nahrung des Waldrapps besteht in Mitteleuropa vornehmlich aus Würmern, Larven, Schnecken, die er mit seinem langen Schnabel aus dem Boden von Wiesen und Weiden stochert. In anderen Regionen ernährt sich der Waldrapp aber auch von kleinen Reptilien, Mäusen und sogar Kaulquappen. Gelegentlich frisst er auch pflanzliche Nahrung.

Kurzer historischer Abriss - Waldrapp und Mensch:

Im frühen und alten Ägypten galt der Waldrapp als Lichtbringer und Verkörperung des menschlichen Geistes. Das Zeichen für „Akh“ („Ahnengeist“, „Geistseele“) in die Hieroglyphenschrift zeigt einen (Waldrapp-)Vogel mit langem Schnabel. 

Im Islam wird der Waldrapp als Glücksbringer angesehen, der Noah nach der Sintflut den Weg ins fruchtbare Tal des Euphrat gezeigt haben soll. 

Aus dem 4. Jahrhundert nach Christus stammen Berichte, wonach der Waldrapp bei römischen Befestigungsanlagen in Deutschland heimisch war. Diese Aussage wird durch archäologische Knochenfunde bestätigt.

Auch Salzburg ist ein bekannter historischer Brutstandort der Waldrappe, wobei der Mönchsberg, der bis ins Mittelalter eine der größten Brutkolonien Europas beherbergte, häufig erwähnt wird.

zwei Waldrappe aus der Krippe in ElbachDie Verbreitung in Süddeutschland und Österreich kann z. B auch in historischen Krippen nachvollzogen werden: In der Krippensammlung des Bayrischen Nationalmuseums und in der Barockkrippe zu Elbach findet man den Waldrapp als historische Krippenfigur. 

Im 17. Jahrhundert wurden Waldrappe im Orient geschützt, da verschiedene Nomadenstämme glaubten, dass sie in ihrem schillernden Gefieder die Seelen der Verstorbenen davontragen würden.

In Europa hingegen waren Waldrappe unter dem Namen „Schopfibis“ als Delikatesse sehr gefragt. Als „Waldrapp“ galten sie als ornithologische Kostbarkeit. Die Folge war, dass die Nester geplündert, Jungtiere für Zoos gefangen und erwachsene Waldrappe präpariert und an Museen und Sammler verkauft wurden. Die Folge war eine massive Dezimierung sämtlicher Bestände, sodass der Waldrapp in Europa um 1730 ausstarb. 

Das Museum Kuchl widmete 2016 seine Sonderausstellung dem Waldrapp, der bei uns wieder am Georgenberg brütet.

(Hauptquelle: Wikipedia, Johannes Fritz/Waldrappteam)